Wieso entarten Zellen?
Tatsächlich gibt es gute Gründe, die beiden Fachgebiete unter einem Dach zu vereinen. Viele Fragen treiben die Spezialisten gemeinsam um: Wieso entarten Zellen zu Krebszellen? Wie kann man möglichst schnell und sicher diagnostizieren, um welchen Krebstyp es sich handelt? Die genaue Diagnose hat Konsequenzen für die Therapie – auch hier gibt es Überschneidungen: Beide Disziplinen verabreichen Zytostatika, die Krebszellen schädigen oder im Wachstum hemmen. Sie behandeln mit Antikörpern, mit Inhibitoren (siehe Box «Neue Immuntherapie»), und immer häufiger mit individualisierten, auf genetischen Markern basierenden Arzneimitteln. Gelegentlich kommen dieselben Medikamente sowohl bei Lymphomen oder Myelomen (siehe Box) wie auch bei soliden Tumoren zum Einsatz. Mit den Wirkungen gleichen sich auch die Nebenwirkungen – ein weiteres Thema, über das sich Hämatologen und Onkologen fachlich austauschen können.
In der Patientenverwaltung und in der Forschung arbeitet man bereits zusammen: Die Hämatologen übernehmen die von den Onkologen entwickelte Patienten-Datenbank, umgekehrt profitieren die Onkologen beim Aufbau einer Biobank mit Plasma und Serum vom Wissen der Kollegen. Auch räumlich wächst man zusammen: Ambulante Therapien werden ab Mitte Jahr in einer gemeinsamen Tagesklinik stattfinden. Eine gemeinsame Ambulanz im Rämitrakt des USZ erspart den Patientinnen und Patienten die langen Wege durch die Klinikflure und ermöglicht effizientere Abläufe von Untersuchungen.
15 statt 60 Warteminuten
Kommt heute ein Patient im Rahmen der Nachsorge zur Blutentnahme in eine der beiden Kliniken, muss er bis zu einer Stunde warten, ehe er mit dem Arzt sprechen kann. Denn seine Blutprobe muss zuerst mittels Rohrpost ins Diagnostiklabor, wo alle Blutproben des Spitals ankommen. Vom Labor muss das Ergebnis wieder zurück zur Ambulanz. Das kann dauern. «An manchen Tagen bilden sich lange Schlangen auf den Fluren», sagt Hämatologie-Oberarzt Alexandre Theocharides. Die neue, gemeinsame Ambulanz soll nicht nur leichter erreichbar sein. Sie soll auch über ein Analysegerät verfügen, das schnell ein Blutbild liefern kann. Aus 60 Warteminuten sollen dann maximal 15 werden.
Bei aller Gemeinsamkeit gibt es doch Grenzen: Die Behandlung von Patienten mit Leukämien, Lymphomen und Myelomen liegt ausschliesslich in den Händen der Hämatologen, während die Onkologen für die soliden Tumoren zuständig sind. «Jede Fachdisziplin hat in klinischen Leitlinien geregelt, wie bei der Diagnostik und Therapie vorzugehen ist», sagt Dr. Theocharides. Je standardisierter die Abläufe sind und je grösser die Erfahrung der Ärzte ist, umso besser ist die Qualität der Behandlung. In vielen Fällen genügt das Expertenwissen einer Disziplin. Manchmal sind zeitlich versetzt beide gefragt.