Critical Incident Reporting System

Das Critical Incident Reporting System (CIRS) ermöglicht die systematische Erfassung von patientensicherheitsrelevanten, unerwünschten Ereignissen und ist Grundlage für deren konstruktive Bearbeitung im klinikinternen Rahmen. Durch die Aggregation von Fällen können Risiken im Behandlungsprozess erkannt werden. Ist ein Bericht eingetroffen, erfolgt eine zeitnahe, strukturierte Analyse der Ereignisse durch interprofessionelle CIRS-Komitees, es werden Massnahmen ergriffen und der Meldende erhält eine Rückmeldung.

Das Betreiben von CIRS bedarf einer klar geregelten Struktur mit organisationalen Vorgaben, Zuständigkeiten und Kompetenzregelungen. Zudem werden alle Mitarbeitenden über Sinn und Zweck des CIRS informiert. Sie erfahren dabei auch, dass Berichte anonym behandelt werden und dass die Meldungen keine Sanktionen nach sich ziehen. Die aktuelle Struktur im USZ umfasst 28 lokale CIRS-Komitees bestehend aus mindestens einem ärztlichen und pflegerischen CIRS-Verantwortlichen, inklusive der zentralen Meldeeinheit des Qualitätsmanagements und der Patientensicherheit für USZ-relevante Ereignisse. Die lokalen CIRS-Komitees bearbeiten primär alle eingehenden Meldungen.

CIRS-Audit durch die Gesund­heits­­direktion des Kantons Zürich

Im Jahr 2012 wurden alle akutsomatischen, psychiatrischen und Reha-Listenspitäler von der Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich verpflichtet, ein CIRS-Meldesystem einzuführen. Im USZ ist das CIRS bereits seit 2008 implementiert. Ob sämtliche Spitäler die Qualitätsanforderungen erfüllen, wurde im März 2016 mit einem neu entwickelten Audit überprüft. Dafür wurden mehrheitlich Dokumente begutachtet (Protokolle von CIRS-Sitzungen, Reglement, Betriebskonzept etc.). Gemäss der Gesundheitsdirektion bilden diese Anforderungen die strukturellen, organisatorischen und prozessualen Voraussetzungen für ein erfolgreiches CIRS-Meldesystem. Das Audit umfasste insgesamt 17 spezifische Qualitätsanforderungen. Vom USZ wurden alle 17 Anforderungen erfüllt.

Allen Beteiligten wurde eine hohe Kompetenz, gute Organisation und hohe Transparenz bestätigt.

Meldezahlen und Statistiken

Um Fehlermuster erkennen und Fälle spitalweit aggregieren zu können, werden seit 2013 alle eingegangenen Meldungen von der Abteilung Qualitätsmanagement und Patientensicherheit kategorisiert. Diese Kodierung basierte bis 2015 auf einer Auswahl von Kategorien eines Klassifikationssystems der WHO. Seit 2016 werden die eingegangenen Meldungen nun hinsichtlich aller verfügbaren Kategorien der WHO sowie nach dem NCC-MERP-Index klassifiziert. Zudem wird neu der «Input Error» als auslösender Fehler einer Fehlerkette festgelegt, inklusive Prozess und Problem nach WHO-Kategorisierung.

Der «Output Error» ist das Ergebnis der Fehlerkette, das beim Patienten ankommt oder noch rechtzeitig verhindert werden konnte, inklusive Prozess und Problem nach WHO-Kategorisierung. Grundsätzlich ist es bei der beschriebenen CIRS-Kategorisierung wichtig, eine prozessorientierte Sichtweise auf Basis des Fehlerkettenmodells beziehungsweise «Schweizer-Käse-Modells» von J. Reason einzunehmen. Zentrale Fragen sind hierbei: Was sind auslösende Fehler? Was ist der Outcome? (Huckels‐Baumgart, S., und Manser, T. (2014). Identifying medication error chains from critical incident reports: A new analytic approach. The Journal of Clinical Pharmacology, 54(10), 1188–1197).

Die Anzahl der Meldungen blieb 2016 stabil: Verzeichnet wurden 1’939 Meldungen, 65 % der Fälle wurden aus dem Routinebetrieb gemeldet.

Meldungen nach Versorgungsart

Quelle: Qualitätsmanagement und Patientensicherheit USZ

Routinebetrieb
Notfall
Keine Angaben

Häufigste Input-Fehler, also auslösende Faktoren, betreffen Medikation/IV-Gaben (N = 545), medizinische Geräte/Anlagen/Ausrüstung (N = 254) sowie klinische Prozesse (N = 252). In der nachfolgenden Grafik werden diese Input-Fehler mit den jeweiligen Unterkategorien dargestellt.

Häufigkeit der einzelnen Kategorien

Quelle: Qualitätsmanagement und Patientensicherheit USZ

Input Error (verursachender/auslösender Fehler für Fehlerkette)
Output Error (Fehler, der bei Patient ankam bzw. noch rechtzeitig verhindert werden konnte)

Eine detaillierte Auswertung der Unterkategorien der Kategorie Medikation/IV-Gaben zeigt, dass der Grossteil der Meldungen das Richten von Medikamenten (N = 258) betrifft sowie die Verschreibungen/Verordnungen (N = 209).

Unterkategorien Medikation

Quelle: Qualitätsmanagement und Patientensicherheit USZ

Eine detaillierte Auswertung der Unterkategorien der Kategorie klinische Prozesse zeigt, dass der Grossteil die allgemeine Versorgung resp. das allgemeine Management betrifft (N = 96) sowie das Prozedere/Behandlung (N = 77).

Unterkategorien klinische Prozesse

Quelle: Qualitätsmanagement und Patientensicherheit USZ

Umgesetzte Mass­nahmen aus den CIRS-Jahres­berichten

Neben der Anonymisierung und Freischaltung gemeldeter Ereignisse ist das Erarbeiten von Massnahmen und Lösungsvorschlägen essenziell, um die Patientensicherheit zu verbessern. Die Umsetzung von Massnahmen ist zwingend Teil der Führungsaufgabe, beispielsweise der Pflegeleitung oder des Klinikdirektors.

Nachfolgend werden exemplarisch umgesetzte Massnahmen aufgrund von CIRS-Meldungen berichtet. Diese Massnahmen gehen aus den CIRS-Jahresberichten der CIRS-Komitees hervor sowie aus den Tätigkeiten der CIRS-Managerin USZ. Die folgende Auflistung beinhaltet eine Auswahl von Massnahmen, die untergliedert sind in Schulungs- und Fortbildungsmassnahmen, Stärkung der interdisziplinären Zusammenarbeit, organisatorische und strukturelle Anpassungen und Veränderungen für einen optimierten Behandlungsprozess sowie technische und bauliche Massnahmen. Teilweise wurden sie lokal, teilweise systemweit umgesetzt:

Schulungs- und Fort­bildungs­mass­nahmen für Mitarbeitende

  • Mitarbeiter wurden sensibilisiert, besser zu kontrollieren, wenn sie Laboraufträge manuell erfassen. Zusätzlich wurde eine Doppelkontrolle der erfassten Aufträge eingeführt.
  • Einsatz von Laptops am Patientenbett mit Listen aus dem Klinikinformationssystem
  • Klinikinterne Fortbildung durch die Infektiologie zu Patientenisolationen
  • Initiiert von der Stiftung Patientensicherheit Schweiz fand vom 12. bis 17.September schweizweit die Aktionswoche Patientensicherheit statt. Fokusthema im Jahr 2016 war die Medikationssicherheit. Das USZ beteiligte sich von Montag bis Freitag mit einem Stand vor der Personalkantine. Hier wurden vor allem Störungen und Arbeitsunterbrechungen und damit verbundene Risiken im Medikationsprozess thematisiert. Es galt, die Aufmerksamkeit der (hungrigen) Mitarbeitenden auf dem Weg zum Mittagessen kurz auf die erstellten Plakate und Flyer zu lenken und weiteres Interesse in einem Ein-Minuten-Austausch zu identifizieren. Aus der Aktionswoche ergaben sich mit einigen Abteilungen tiefere Kontakte, Prozessanalysen und Fortbildungsveranstaltungen. Nachfolgende Anpassungen zeigen erste erfreuliche Wirkungen.

Stärkung der inter­disziplinären Zusammenarbeit

  • Interdisziplinäre Diskussion und Besprechung aufgrund von CIRS-Meldungen sowie Entwicklung gemeinsamer Konzepte
  • Gemeinsame Problemlösung mit der Leitung des Transportdienstes

Organisatorische und strukturelle Anpassungen und Veränderungen für einen optimierten Behandlungsprozess

  • Einführung der täglich stattfindenden Kardexvisite zu einem fixen Termin
  • Ableiten von Handlungsempfehlungen hinsichtlich der Nutzung von Abdominaldrainagen
  • Harmonisierung und Vereinfachung der Schemata zur Verdünnung des Heparins aus einer Stammlösung
  • Erarbeitung von Massnahmen zur Verbesserung der Einhaltung des 4-Augen-Prinzips und der 6-R-Regel, Patientenkontrolle mittels Patientenarmband und Laptop/Etikette innerhalb der Pflegeteams

Technische und bauliche Massnahmen

  • Änderung der Markierung pathologischer Werte im Klinikinformationssystem
  • Anpassung der Druckluft- und Sauerstoffanschlüsse an Transportisoletten
  • Anpassungen der Verordnungsmaske im Klinikinformationssystem

CIRS-Fälle als Basis für Simulations­trainings

Im vergangenen Jahr wurden insgesamt 23 Szenarien für Simulationstrainings auf der Basis von CIRS-Fällen entwickelt. CIRS-Fälle werden dabei selten eins zu eins umgesetzt, vielmehr leitet das Simulationszentrum USZ daraus sinnvolle Lernziele ab und erstellt Szenarien. Die Teilnehmer von Simulationstrainings werden informiert, dass die Szenarien auf CIRS-Fällen basieren. Die entsprechenden CIRS-Fälle werden auf der Meta-Ebene debrieft und nicht an die Teilnehmer abgegeben. Für die Simulationstrainings werden Fälle ausgewählt, die a) «simulierbar» sind (z. B. Verfügbarkeit technischer Geräte begrenzt etc.), b) wiederkehrende Probleme, c) häufige Probleme oder d) kritische Aspekte der Patientenversorgung beinhalten.